Theaterbericht: „Gewitterneigung“ von Peter Haus

Unser heutiges Dankeschön geht an die Theater AG der Leopold-Feigenbutz-Realschule Oberderdingen für den den eingereichten Beitrag des Stückes “ Gewitterneigung “ unseres Autors Peter Haus.

Thema Amoklauf. Gezeigt wird der Vormittag des Tages, an dem der 17jährige Schüler M. aus einer Pistole mehrere Schüsse abgeben wird. In Rückblenden bietet das Stück Erklärungsversuche für den Schusswaffengebrauch an.  

Oberderdingen(Lisa Reiff). Marc V. ist nicht gestolpert. Er hat nach der zweiten Pause hinter der Turnhalle auch nicht gelacht. Was sie in der Raucherecke mit ihm, dem Außenseiter, dem verspotteten „Popel“ wirklich gemacht haben, gaben die Mitschüler später nicht zu Protokoll. Marc V. hat keinen Abschiedsbrief hinterlassen. Das Video, das die Clique mit dem Smartphone aufgenommen hat, taucht nicht auf.

Die Schauspieler der Theater-AG haben das Stück „Gewitterneigung“ von Peter Haus auf die Bühne im Foyer der Oberderdinger Leopold-Feigenbutz-Realschule gebracht. Es sind drei Aufführungen einer unerklärlichen Wahnsinnstat, glaubwürdig inszeniert:

„Wer war unschuldig?“, fragt Marc V. ins Publikum. Er steht am Bühnenrand im Scheinwerferlicht. „Die, die mich in den Dreck gedrückt haben? Oder die, die einfach nur zugeguckt oder weggeschaut haben?“ Eine rhetorische Frage. Marc V. brüllt: „Alle waren sie beteiligt!“ Ein erschreckender Augenblick beklemmender Stille folgt. Gänsehaut.

Hätte Giulia die tödlichen Schüsse verhindern können? Wäre dieser Dienstag, der 16. ein Tag wie jeder andere geblieben, wenn Giulia zuvor nicht mit Marc V. Schluss gemacht hätte? „Ein Ereignis ist höchstens der Auslöser“, stellt eine Schauspielerin fest. Giulia hat Marc V. gefragt, warum er sich nicht wehrt: „Aus Angst?“ Seine Antwort: „Ja, Angst … schon … auch. Und Ekel, Verachtung und Hass.“

Sein Vater habe sich immer einen Gewinner gewünscht, sei fast ausgeflippt, als seine Schwester einen BMW von einem Mercedes unterscheiden konnte und er als älterer Bruder nicht. Der Vater wollte immer, dass Marc V. Judo oder Karate macht oder ins Boxen geht. Marc V. hat einen Sinn für Lyrik, interpretiert im Deutschunterricht Goethe. Die Clique fragt ihn deshalb, ob er schwul sei. Seine Mathenote hat sich von befriedigend auf mangelhaft verschlechtert. Die Mathelehrerin droht mit Konsequenzen und gibt später zu Protokoll: „Der Junge war gestört.“

Marc V. hat keine Ballerspiele gespielt, er hat auch nicht im Wald geübt. Sein Onkel hat ihn gelegentlich mit in den Schützenverein genommen. Marc V. wusste vom gesicherten Waffenschrank im Keller. Der Onkel sagt: „Geschossen hat Marc wirklich gut.“ Dann kam Dienstag, der 16., der Wetterbericht kündigt „heiter bis wolkig“ an, laut der Nachrichten setzen sich die Gewerkschaften für den Mindestlohn ein. Niemand in der Kleinstadt ahnt, dass sich alle an diesen Dienstag, den 16. erinnern werden. Zwischen 14.12 Uhr und 14.18 Uhr tötet Marc V. fünf Schüler zwischen 14 und 18 Jahren, verletzt sechs weitere Menschen. Mit dem 16. Schuss tötet Marc V. sich selbst.

Comments are closed.