Autorenporträt: Christian Wüster
Unser Autor Christian Wüster berichtet heute von seinem Schaffen als Bühnenautor:
„Meine erste, mir noch gegenwärtige Erinnerung an die Theaterwelt war eine Schulaufführung in der vierten Klasse. Ich spielte in einem Weihnachtsstück den Vater und in doppelter Hinsicht einprägender Weise kann ich mich noch an meinen ersten Satz erinnern. Er lautete: „Sitzt Du schon wieder vor dem Radio? Ich habe Dir doch gesagt, du sollst dein Weihnachtslied üben!“ Um welches Stück es sich damals, im zarten Alter von wahrscheinlich 10 Jahren, handelte, weiß ich allerdings nicht mehr. Dies war nun meine erste Berührung mit den Brettern, die die Welt bedeuten. Noch ziemlich wackelige Bretter, wie ich gerne zugeben möchte.
Dann musste ich mehr oder weniger erfolgreich die Schule besuchen. Da war erst einmal Essig mit Theaterspielen und/oder Schreiben! (Doch halt! Als ich ca. 14 Jahre alt war, und während des Konfirmandenunterrichts wieder mal ein Weihnachtsstück („Die Geburt Jesu“) aufführen durfte, spielte ich den Josef!)
Ich durchlief also nach dem Abschluss der Mittleren Reife eine Ausbildung zum Kaufmann inkl. Besuch des Wirtschaftsgymnasiums. (Zuerst etwas Anständiges lernen!) Meiner alten Deutschlehrerin von der Realschule habe ich im Übrigen auch viel Dank zu schulden, brachte sie mich (und die gesamte Klasse) doch mit einem Dramatiker in Kontakt, der mich nie wieder losließ: Friedrich Dürrenmatt!
Doch das Theater ließ mich nicht los, es hallte nach. Immer und immer wieder. Ich kam mit der Remscheider Theater-Szene in Berührung. Zuerst scheu, still, zuschauend, aber lernend und alles in sich einsaugend, was es an Informationen und Eindrücken wahrzunehmen gab! Auf der Bühne tobte ich mich bei der „Lüttringhauser Volksbühne“ aus, einer Spielschar, die das klassische Volkstheater bedient und jeden Sommer die „Bergischen Heimatspiele“ auf dem Freilichtgelände im Herzen der Altstadt von Remscheid-Lüttringhausen aufführt. Doch nach einigen Jahren und viel gesammelter Erfahrung wurde mir klar: Die alten Stücke aus den 1930er-Jahren ziehen nicht mehr so ganz. Sie sind angestaubt. Ja, sie haben ihre Daseinsberechtigung; doch hinterm Ofen hervorlocken tun sie keinen mehr besonders. Man sah es sowohl an den Zuschauerzahlen, als auch am Altersschnitt im Publikum. Was tun? Den klassischen Schwank, das Bauerntheater mit Tradition aussterben lassen? Und hier griff ein weiteres Zahnrad ins Getriebe meines Dramatiker-Daseins: Ich schrieb mein erstes Stück!
„Frack met allem Dröm und Draan“ (Auf Hochdeutsch „Ärger mit allem Drum und Dran“) entstand in der ersten Jahreshälfte 2013, hatte Premiere im Juni 2014 und schaffte es im gleichen Jahr noch ins Innentheater. (Teo-Otto-Theater Remscheid). Übrigens schreibe ich bis heute die Stücke für diese Freilichtbühne.
Nun war klar: Das kann ich und das will ich tun! Ich blieb zunächst bei diesem Genre, das mir bis heute große Freude bereitet. Nach einigen Jahren stellte ich jedoch fest, dass ich in einer künstlerischen Schublade steckte: „Das ist doch der, der immer diese Mundartstücke macht!“ – Ja, das ist er auch, aber er macht noch mehr! Zumindest stecken noch viel mehr Potential und Kreativität in ihm! Ich versuchte mich also an anderen Genres, insbesondere am klassischen Drama. Ich möchte an dieser Stelle erwähnen: NICHTS, aber auch rein GARNICHTS fällt einem vom Himmel in den Schoß! Ich habe für den ersten Erfolg, die erste Anerkennung geackert, geschrieben und viele, frustrierende Absagen einstecken und in Kauf nehmen müssen!
Doch nach und nach lichteten sich die Reihen der Niederlagen und die ersten Siege stellten sich ein. Mit Der Durchbruch wurde im November 2021 mein erstes Drama uraufgeführt und feierte im Westdeutschen Tourneetheater seine Premiere. Ein großartiges, ein erhabenes Gefühl, dass mich mit Dankbarkeit, Demut und Freude zurückließ.“
Neben dem oben erwähnten Stück „Der Durchbruch“ sind bei der theaterboerse noch zwei weitere Stücke von Christian Wüster erschienen: Midas und die Materie der Theologie und ganz neu Ein Eulenspiegel unterm Hakenkreuz.
In diesem brandneuen Theaterstück von Wüster schreiben wir den 01. April 1944 und befinden uns in einem hochherrschaftlichen Anwesen im Bergischen Land. Kammerspielartig sollen wir hier Zeuge der höchst fiktiven Pan-Arier-Konferenz werden, bei der sich eine Gruppe von Expertinnen und Experten trifft, um die abartigen Nürnberger Rassengesetze von 1935 zu verfeinern. Viele NS-Größen aus Wissenschaft, Forschung, Verwaltung und Militär sind anwesend, um die elementaren Details der Arier- und Rassenlehre zu erörtern. Doch ein Gast, geladen oder nicht, will nicht so recht in das Bild dieser abartig illustren Runde passen: Matilde Eulenspiegel. Und Sie begegnet dieser zynischen Barbarei mit Ihrer stärksten Waffe: Wortgewandtheit und Anarchie.
Eine fiktive und groteske Tragikomödie über den Wahnsinn und die Barbarei in Zeiten des Nationalsozialismus.
Unbedingt mal reinschauen!
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